Gespräch und Lesung
26.09.24
Thursday
19.00
KörberForum Hamburg

Auch knapp 80 Jahre danach ist nicht alles über den Holocaust bekannt. Was wissen wir wirklich über die Verfolgung von Jüdinnen und Juden und wie können wir die Erinnerung daran in Zukunft wachhalten? Die Journalistin Johanne Bischoff diskutiert mit den Historikerinnen Kim Wünschmann und Mirjam Zadoff und dem Rabbiner Gábor Lengyel.

Trotz der längst nicht mehr überschaubaren Anzahl an Büchern, Dokumentationen und Forschungsarbeiten ist noch immer nicht alles über den Holocaust bekannt – oder wieder in Vergessenheit geraten.

Was wissen wir zum Beispiel über die Vertreibungen und Deportationen von Jüdinnen und Juden während des Zweiten Weltkriegs aus den besetzten Gebieten in Osteuropa in den norddeutschen Raum?

Auch in Hamburg und Umgebung wurden Männer, Frauen und Kinder aus ganz Europa in Konzentrationslagern interniert und zur Zwangsarbeit eingesetzt, darunter Jüdinnen und Juden aus Ungarn, Rumänien und der Slowakei. In den verschiedenen Außenlagern des KZ Neuengamme inhaftiert, wurden sie in der Hamburger Industrie zur Arbeit gezwungen. Ausbeutung und Vernichtung in der Hansestadt fand also vor aller Augen statt. Von einer großen Zahl dieser Menschen sind heute oft nicht einmal mehr ihre Namen bekannt. Viele Nachkommen der Verfolgten ringen bis heute mit dem nicht vorhandenen Wissen über die Schicksale ihrer Familien. Zugleich wird hierzulande der gesellschaftliche Konsens, den Holocaust weiterhin aktiv zu erinnern, zunehmend infrage gestellt.

Mirjam Zadoff, Leiterin des NS-Dokumentationszentrums München, liest aus ihrem Buch Gewalt und Gedächtnis und zeigt, wie viele Anstrengungen es gekostet hat, das zu etablieren, was wir heute als Erinnerungskonsens verstehen.

Mit der Historikerin Kim Wünschmann und dem Rabbiner Gábor Lengyel diskutiert sie die Bedeutung der Erinnerung für die Nachkommen und die Frage, wie eine globale Erinnerungskultur in Zukunft aussehen kann und was sie leisten muss – für die Gesellschaft, aber auch für jede und jeden von uns.

 

Es moderiert die Journalistin Johanne Bischoff.

Gábor Lengyel wurde 1941 als Sohn einer jüdischen Familie in Budapest geboren. Er überlebte den Holocaust und ging nach dem Krieg nach Israel. In den 1960er Jahren wanderte er zum Studium nach Deutschland aus; mit Anfang 60 ließ er sich zum Rabbiner ausbilden. Lengyel gehört zu den Gründungsmitgliedern der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und ist als Rabbiner der Reformsynagoge Hamburg und der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover tätig.

Kim Wünschmann leitet seit 2021 das Institut für die Geschichte der deutschen Juden (IGdJ) in Hamburg. Sie studierte Judaistik, Politik und Psychologie in Berlin, Jerusalem und London. Die Forschungsschwerpunkte der promovierten Historikerin sind die deutsch-jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts und die Wirkungsgeschichte des Nationalsozialismus.

Mirjam Zadoff studierte Geschichte und Jüdische Studien in Wien und München. 2014 bis 2019 war sie Inhaberin des Alvin H. Rosenfeld Lehrstuhls für Jüdische Studien an der Indiana Universität Bloomington, USA. Seit 2018 leitet die promovierte Historikerin das NS-Dokumentationszentrum München. Zuletzt erschien „Gewalt und Gedächtnis: Globale Erinnerung im 21. Jahrhundert“ (Hanser, 2023).

Johanne Bischoff ist Journalistin und Moderatorin. Sie moderiert Veranstaltungen der historisch-politischen Bildung. Seit 2019 arbeitet sie als Reporterin und Redakteurin für Radio Bremen und als freie Autorin für gesellschaftspolitische Themen für das Y-Kollektiv und das ZDF.