1966 in Campusnähe der Universität Hamburg eröffnet, erforschte das Institut für die Geschichte der deutschen Juden (IGdJ) anfänglich als einzige wissenschaftliche Einrichtung in der Bundesrepublik die deutsch-jüdische Geschichte. Seitdem hat sich nicht nur das Feld entwickelt und methodisch wie disziplinär ausdifferenziert, sondern auch das Profil des IGdJ erweitert. Während der historische Fokus weiterhin besteht, rücken jüdisches Leben in der Gegenwart, aktuelle Fragen des Erinnerns und Gedenkens sowie die Arbeit mit neuen Medien und digitalen Techniken stärker in den Blick. Als außeruniversitäres Forschungsinstitut, das seine Ergebnisse in Veröffentlichungen und unterschiedlichen Veranstaltungsformaten präsentiert, ist das IGdJ seit mehreren Jahrzehnten eine wichtige Stimme im nationalen wie internationalen akademischen Diskurs.

Mit der Entwicklung innovativer Vermittlungsformate leistet das IGdJ zudem einen wichtigen Wissenstransfer in die breite zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit. Zahlreiche analoge wie digitale Angebote eröffnen neue Zugänge zu und Perspektiven auf die deutsch-jüdische Vergangenheit und Gegenwart. Dabei spielt Hamburg mit seiner über 400-jährigen jüdischen Geschichte eine besondere Rolle – auch für die Herstellung größerer nationaler wie transnationaler Bezüge in der Beschäftigung mit dem deutschsprachigen Judentum.

Nicht zuletzt ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein zentrales Anliegen des IGdJ.  In der Absicht, auch in nachfolgenden Generationen von Forschenden die Begeisterung für jüdische Geschichte zu wecken, unterrichten die Institutsangehörigen an der Universität Hamburg, wo sie zugleich Abschlussarbeiten und Dissertationsvorhaben betreuen. Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten für Studierende und Promovierende, wie beispielsweise das in Zusammenarbeit mit der Tel Aviv University organisierte Archivseminar, werden regelmäßig angeboten.

 

Zur Geschichte

Das 1966 eröffnete Institut für die Geschichte der deutschen Juden ist die älteste (und war lange Zeit die einzige) wissenschaftliche Einrichtung ihrer Art in der Bundesrepublik. Das IGdJ, eine Stiftung bürgerlichen Rechts in der Trägerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, widmet sich seiner Satzung gemäß der Erforschung der Geschichte der deutschen Jüdinnen und Juden und der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf diesem Gebiet. Es hat außerdem die Aufgabe, Forschungsergebnisse allgemein zugänglich zu machen. So wurde u.a. bereits 1969 die Schriftenreihe „Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden“ gegründet, in der seitdem zahlreiche Monografien, Dokumentationen und Sammelbände erschienen sind. Dass die jüdische Geschichte als Teildisziplin der allgemeinen Geschichte inzwischen einen wichtigen Professionalisierungsschub durchlaufen und wachsende Anerkennung erfahren hat, weist auch auf das erfolgreiche Bemühen des IGdJ hin, das Bewusstsein von der Bedeutung und Vielfalt jüdischer Lebenswelten in der breiteren (wissenschaftlichen) Öffentlichkeit zu verankern.

Erste Überlegungen zur Gründung des Instituts waren bereits in den 1950er-Jahren erfolgt. Ein Ausgangspunkt dafür war die einzigartige Quellensituation zur über 400-jährigen jüdischen Geschichte im Hamburger Raum. Im Unterschied zu anderen jüdischen Großstadtgemeinden, deren Archive durch die Gestapo beschlagnahmt wurden und im weiteren Verlauf größtenteils der Zerstörung zum Opfer fielen, waren die Aktenbestände der Hamburger Jüdischen Gemeinden (d. h. von Altona, Hamburg und Wandsbek) als Depositum an das Staatsarchiv der Hansestadt gekommen, wo sie den Krieg ohne große Schäden überstanden.

Diesen historischen Schatz beanspruchte der neugegründete Staat Israel gemeinsam mit internationalen, jüdischen Organisationen in den 1950er-Jahren für sich, da die Bewahrung jüdischer Geschichte im „Land der Täter“ zu jener Zeit als undenkbar galt. In einem Rückerstattungsverfahren vor dem Wiedergutmachungsamt beim Landgericht Hamburg trat die Jewish Trust Corporation als Vertreterin des israelischen Staates und als Antragstellerin im Verfahren auf, um die Herausgabe der Archive und deren Überführung nach Israel zu erreichen. Während es vordergründig um die Verortung der Archivbestände ging, wurden hintergründig auch die Fragen „Wo“, „Wie“ und durch „Wen“ deutsch-jüdische Geschichte erforscht werden sollte, verhandelt. Nach einem mehrjährigen Gerichtsverfahren einigten sich die Prozessgegner 1959 einvernehmlich darauf, das Archivgut zwischen dem damaligen Jewish Historical General Archive (später Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem) und dem Staatsarchiv der Hansestadt Hamburg zu teilen. Dabei wurde der jeweils fehlende Teil durch Mikrofilme oder Kopien ersetzt und dem anderen Archiv zur Verfügung gestellt. Damit stand und steht bis heute der Forschung sowohl in Hamburg als auch in Jerusalem ein historisch außerordentlich bedeutsamer Archivbestand für die deutsch-jüdische Geschichte vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs zur Verfügung.

Mit den Bestrebungen, das Archivmaterial auch in Hamburg zu bewahren, ging die Idee einher, einen institutionellen Rahmen zur historiografischen Auswertung der Quellen zu schaffen. Bereits 1953 hatte sich unter dem Vorsitz des Historikers Fritz Fischer eine Arbeitsgemeinschaft für die Geschichte der Juden in Hamburg gebildet. Der Vorschlag, in Hamburg ein Archiv des Zentralrates der Juden in Deutschland zu errichten, fand allerdings kaum Zustimmung. Größeren Zuspruch erhielt der Plan eines Forschungsinstituts, dem auch der Senat sowie die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung ihre Unterstützung zusagten. Jahrelange Verhandlungen mündeten in der Gründung des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden, als dessen ersten Direktor die Stadt 1964 den deutsch-israelischen Historiker und Religionsphilosoph Heinz Mosche Graupe berief. Zwei Jahre später, im Mai 1966, fand die offizielle Eröffnung in der Rothenbaumchaussee 7 statt. Unter den nachfolgenden Direktorinnen und Direktoren wuchs das IGdJ kontinuierlich und erweiterte mit den verschiedenen Projekten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Perspektiven auf die deutsch-jüdische Geschichte und Gegenwart. Nach Heinz Mosche Graupe übernahmen die Institutsleitung Peter Freimark (1972-1992), Monika Richarz (1993-2001), Stefanie Schüler-Springorum (2001-2011), Miriam Rürup (2012-2020) und Kim Wünschmann (seit Oktober 2021). Andreas Brämer war 2011-12 und 2020-21 Kommissarischer Leiter. Seit 2007 ist das IGdJ im denkmalgeschützten Gebäude Beim Schlump 83 untergebracht.


Für eine ausführliche Darstellung der Institutsgeschichte empfiehlt sich die anlässlich des 50-jährigen Jubiläums 2016 erschienene Festschrift „50 Jahre | 50 Quellen“.