Verortungen – Spuren jüdischer Geschichte im Hamburger Stadtraum
Die jüdische Geschichte Hamburgs ist auf viele Arten im Stadtraum sichtbar – durch historische Gebäude, aber auch in Form von Denkmälern oder Straßennamen. Der Vielfalt dieser Spuren und dem Umgang mit ihnen in Vergangenheit und Gegenwart widmet sich das Institut für die Geschichte der deutschen Juden in den kommenden Monaten mit einer eigenen Veranstaltungsreihe.
Rundgänge und Vorträge widmen sich dem Lagerhaus G am Dessauer Ufer als KZ-Außenlager, dem jüdischen Friedhof an der Königstraße und der Hamburger Kunsthalle als Schauplatz jüdischen Mäzenatentums. Weitere Veranstaltungen beleuchten die Geschichte von nach Jüdinnen und Juden benannten Straßen in Hamburg, den Umgang mit dem Grundbesitz der jüdischen Gemeinde im Nationalsozialismus sowie die Rekonstruktion zerstörter Synagogen, die in Hamburg derzeit mit Blick auf die Bornplatzsynagoge diskutiert wird. Wir laden Sie herzlich ein und freuen uns auf Ihre Teilnahme!
Bitte beachten Sie, dass einige der Veranstaltungsorte nur eingeschränkt barrierefrei zugänglich sind.
Bitte um vorherige Anmeldung an kontakt@igdj-hh.de!
Die einzelnen Veranstaltungen
24.Oktober 2023, 18.30 Uhr
Veranstaltungsort:
IGdJ, Lesesaal
Beim Schlump 83, 20144 Hamburg
Ebenso wie jüdische Privatpersonen wurden auch die jüdischen Gemeinden im nationalsozialistischen Deutschland umfassend enteignet und mussten nach Kriegsende für die Rückgabe ihres Vermögens streiten. Bei einem Großteil dieser Werte handelte es sich um Grundstücke und Gebäude wie Synagogen, Schulen oder Friedhöfe. In Hamburg wird der Umgang mit diesem Eigentum zwischen 1930 und 1960 nun erstmals gezielt untersucht. Der Vortrag stellt erste Erkenntnisse des Projekts vor, indem er die nationalsozialistische Zerstörung und Enteignung verschiedener Orte jüdischen Lebens in Hamburg nachzeichnet. Dabei wird auch die besondere Rolle der Hamburger Verwaltung beleuchtet, die in aktuellen politischen und erinnerungskulturelle Diskussionen vermehrt Beachtung findet.
Hendrik Althoff, M.A., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Geschichte der Universität Hamburg und promoviert im DFG-Projekt „Überlebende Orte? Das Grundeigentum jüdischer Gemeinden zwischen Raub und Restitution (1930–1960)“.
Foto: Staatsarchiv Hamburg
12. November 2023
Veranstaltungsort:
15 Uhr: Rundgang am Dessauer Ufer, Treffpunkt
S-Bahnhof Veddel (Ausgang Wilhelmsburger Platz)
16.30 Uhr: Vortrag im Deutschen Hafenmuseum
Standort Schuppen 50 A, Australiastraße 6, 20457 Hamburg
Am Saalehafen auf dem Kleinen Grasbrook liegt das 1903 ― 1907 erbaute Lagerhaus G, das als eines der größten Hamburger Außenlager des KZ Neuengamme diente. Ab Juli 1944 waren dort 1.500 als jüdisch verfolgte Frauen untergebracht, ab September 1944 circa 2.000 männliche Häftlinge. Zudem wurden dort italienische Militärinternierte gefangen gehalten. Mitten im neu zu entwickelnden Stadtteil Grasbrook gelegen, wird die zukünftige Nutzung des Lagerhauses heute kontrovers diskutiert. Die Initiative Dessauer Ufer führt mit einem Rundgang in die Topografie der Zwangsarbeit am Dessauer Ufer ein und bietet im Vortrag einen Überblick über die Geschichte und Gegenwart des Gebäudes.
Begrenzte Anzahl an Plätzen. Anmeldung unbedingt erforderlich unter kontakt@igdj-hh.de
Im Veranstaltungsprogramm der Jüdische Kulturtage Hamburg
Seit 2017 setzt sich die Initiative Dessauer Ufer als Gruppe von Historiker*innen, Künstler*innen, Architekt*innen, Stadtteilaktivist*innen und anderen für den Erhalt des Lagerhaus G und die Einrichtung einer Gedenkstätte am historischen Ort ein. Die Initiative forscht zur Geschichte des Hauses und vermittelt ihr Wissen in Rundgängen, Vorträgen und Publikationen.
Foto: Initiative Dessauer Ufer
16. Januar 2024, 18.30 Uhr
Veranstaltungsort:
Betty-Heine-Saal
Simon-von-Utrecht-Straße 4 A, 20359 Hamburg
Straßennamen sind weitaus mehr als nur Orientierungspunkte im Raum. Sie repräsentieren und ehren häufig Persönlichkeiten, Orte und Ereignisse, wodurch sie eine wichtige Rolle in der lokalen Geschichtspolitik und Erinnerungskultur einnehmen. Dass Straßennamen oft umkämpfte Orte des Gedenkens sind, zeigt sich in den kontroversen Diskussionen über Umbenennungen zu verschiedenen Zeiten. Der Vortrag beleuchtet, wie Straßennamen in Hamburg in Beziehung zur jüdischen Stadtgeschichte stehen. Dabei werden verschiedene Zeitschichten und Debatten über (Um-)Benennungen vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart beleuchtet.
Dr. Sebastian Justke ist Historiker und Referent für Historisch-Politische Bildungsarbeit und Benennung von Verkehrsflächen im Staatsarchiv Hamburg. Er war langjähriger Mitarbeiter der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH) und hat dort u. a. zu einer transnationalen Geschichte der Apartheid in Südafrika und Namibia geforscht.
Foto: Hamburger Anzeiger, 01.11.1938
06. Februar 2024, 18.30 Uhr
Veranstaltungsort:
IGdJ, Lesesaal
Beim Schlump 83, 20144 Hamburg
Die Geschichte des Areals der zerstörten Bornplatzsynagoge in Hamburg seit 1945 ist in verschiedenen Aspekten typisch für den Umgang der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft: verweigerte Restitution, Nutzung als Parkplatz, Errichtung eines „Synagogenmonuments“, das eine unmittelbare Reaktion auf den Ort und den Verlust suggeriert. Mit den aktuellen Planungen, hier einen (rekonstruierenden) Neubau zu errichten, verlassen die jüdische Gemeinde und städtische Akteurinnen und Akteure nun etablierte Vereinbarungen bundesdeutschen Erinnerns. Ziel des Vortrages ist es, die vergangenen und die aktuellen Entwicklungen in eine Geschichte „Jüdischen Bauens“ seit 1945 einzuordnen.
Dr. Alexandra Klei ist Architekturhistorikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg. Ihr Forschungsschwerpunkt ist „Jüdisches Bauen“ seit 1945.
Foto: Alexander Janetzko
22. Februar 2024, 18.30 Uhr
Veranstaltungsort:
Hamburger Kunsthalle, Werner-Otto-Saal
Glockengießerwall 5, 20095 Hamburg
Die Gründung und das Fortbestehen der Hamburger Kunsthalle beruhen auf dem intensiven Engagement Hamburger Bürgerinnen und Bürger, darunter viele mit jüdischer Religionszugehörigkeit. Sie unterstützten den Aufbau des Museums in Sammlung und Infrastruktur oft maßgeblich mit finanziellen Mitteln und durch die Stiftung von Kunstwerken. Seit den 1920er Jahren wurden ihre Namen auf den Steintafeln in der Rotunde des Erweiterungsbaus verewigt. Diese Tradition unterbrach die nationalsozialistische Diktatur brutal und sie ist noch immer nachhaltig gestört. Heute gehört es zu den wichtigsten Aufgaben der Hamburger Kunsthalle, die Biografien und das Handeln dieser Bürgerinnen und Bürger zu erforschen, in Erinnerung zu bringen und alle Bestände nach NS-verfolgungsbedingt verbrachten Kulturgütern zu untersuchen.
Dr. Ute Haug ist seit 2000 an der Hamburger Kunsthalle für die Provenienzforschung zuständig und leitet diesen Bereich mit der inhaltlichen Ausweitung der Sammlungsgeschichte. Ebenfalls im Jahr 2000 gründete sie mit drei weiteren Wissenschaftlerinnen den Arbeitskreis Provenienzforschung, um diese Forschungen sukzessive zu professionalisieren. Aus der anfänglichen Forschung an Einzelfällen entwickelte sich eine institutionenübergreifende, umfänglich betriebene Kontextforschung.
Foto: Ralf Suerbaum
03. März 2024, 14.00 Uhr
Veranstaltungsort:
Jüdischer Friedhof Altona, Eduard-Duckesz-Haus
Königstraße 10 A, 22767 Hamburg
Der 1611 angelegte Friedhof ist der älteste im heutigen Hamburg. Bis zu seiner offiziellen Schließung 1869 fanden etwa neuntausend Bestattungen auf dem portugiesischen, dem aschkenasischen und dem Hamburger Teil statt. Sein umfangreicher erhaltener Grabmalbestand ist ein bedeutendes Zeugnis jüdischer Kulturgeschichte und erlaubt vielfältige Einblicke in die jüdische Vergangenheit Hamburgs und Altonas. Im 20. Jahrhundert geriet er in den Blick der Forschung und wurde, unter anderem unterstützt durch die Nationalsozialisten, fotografisch dokumentiert. Während des Zweiten Weltkrieges stark zerstört, wurden in den letzten Jahrzehnten umfangreiche Restaurierungen durchgeführt.
Begrenzte Anzahl an Plätzen. Anmeldung unbedingt erforderlich unter kontakt@igdj-hh.de
Jonas Stier, M.A., ist Mitarbeiter am Institut für die Geschichte der deutschen Juden und Guide auf dem jüdischen Friedhof Königstraße.
Foto: Jonas Stier