Online-Veranstaltung in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung
14.06.23
Mittwoch
18.00 - 19.30 Uhr
Prof. Dr. Mario Keßler

Zur Befreiung der Menschen von Unterdrückung, Ausbeutung und Völkerhass hatte sich die sozialistische Bewegung im 19. Jahrhundert gebildet. Dennoch war das Verhältnis sozialistischer Persönlichkeiten und Bewegungen zum Antisemitismus niemals einfach; judenfeindliche Vorurteile gab und gibt es auch in der Linken.

Auf diese Widersprüche Bezug nehmend rückten in den letzten Jahrzehnten Forschung und Öffentlichkeit von der Ansicht ab, Sozialismus und Antisemitismus seien gegensätzlicher Natur. Teilweise wurde der politischen Linken nunmehr eine allgemeine Judenfeindschaft unterstellt. Ohne die problematischen Aspekte dieser Beziehung, angefangen von Karl Marx’ umstrittener Schrift von 1844, zu leugnen, sucht Mario Keßler die historischen Verhältnisse wieder herzustellen. Er behandelt Positionen der europäischen Arbeiterbewegung zum Antisemitismus. Jüdinnen und Juden erfuhren Vorurteile in den Reihen der Linken, doch bekämpften sie den Antisemitismus auch aktiv gemeinsam mit ihren nichtjüdischen Genossinnen und Genossen. Überproportional viele Jüdinnen und Juden haben sich in Europa und Nordamerika, aber auch in Nordafrika und Südafrika, den Organisationen der Arbeiterbewegung angeschlossen.

Keßler untersucht in seiner jüngsten Studie Sozialisten gegen Antisemitismus. Zur Judenfeindschaft und ihrer Bekämpfung (1844-1939) den Zeitabschnitt vom deutschen Vormärz bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs. Die wechselvolle Haltung der Arbeiterbewegung zum Zionismus und zu Palästina findet bei ihm gleichfalls Beachtung. Dargestellt werden Etappen der Arbeiterbewegung in Russland bzw. der Sowjetunion, Deutschland, Österreich-Ungarn, Großbritannien sowie den internationalen sozialistischen und kommunistischen Zusammenschlüssen. Keßler schält aus der mit Emotionen überladenen Thematik differenzierte historische Erkenntnisse heraus. Auch wenn die Analysen vor dem NS-Vernichtungs-Antisemitismus enden, werden Ursprung und Hintergründe von Denkfiguren angesprochen, die leider auch heute noch lebendig sind.

 

Prof. Dr. Mario Keßler ist Senior Fellow am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam (ZZF), an dem er von 1996 bis 2021 arbeitete. Er war außerplanmäßiger Professor an der Universität Potsdam, lehrte an Universitäten in den USA, der DDR, und BRD sowie in Israel.

 

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