Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte, Migrationsgeschichte

PD Dr. Kirsten Heinsohn

Das Projekt soll einen Beitrag liefern zu zwei historischen Komplexen: Zum einen wird der Selbstbeschreibung und dem Selbstverständnis eine jüdischen Wissenschaftlerin im Spannungsfeld zwischen Leben in Deutschland, erzwungener Emigration und beruflichem Erfolg im Exilland nachgegangen. Als zweites Thema ist der Zusammenhang zwischen dem Erlebten und der daraus folgenden Zeitdeutung vorgesehen. Eva Reichmann widmete ihre gesamte wissenschaftliche Tätigkeit nach der Emigration direkt der aktuellen Zeitdeutung. Sie sprach dabei die Herausforderung der Zeitgeschichte durch Zeitzeugen direkt an. In ihrer Tätigkeit als Leiterin der Forschungsabteilung der Wiener Library war sie verantwortlich für die Sammlung und Archivierung der Augenzeugenberichte sowie die Auswertung der Nürnberger Prozessakten. Ihr wissenschaftliches Wirken konnte also an der Zeitgeschichte gar nicht vorbei sehen – es war vielmehr ein Teil davon. Als Soziologin, Historikerin und Jüdin problematisierte sie in ihren Beiträgen auch die eigene Zeitgebundenheit und entwickelte daraus eine Legitimation für die entstehende Zeitgeschichte. Eva Reichmann steht mit ihrem Leben und ihrem Wirken für den Beginn der Zeitgeschichtsforschung nach 1945, an deren Entwicklung sie als eine Zeitzeugin im doppelten Sinne teilnahm: als Wissenschaftlerin und als Opfer der Verfolgung.

PD Dr. Kirsten Heinsohn
heinsohn[at]zeitgeschichte-hamburg.de