Jüdisches Bauen

Dr. Sonja Dickow-Rotter, Dipl.-Ing. Mirko Przystawik

 

Die gegenseitige Bezugnahme von Architektur und Literatur erfährt seit mehreren Jahren großes Interesse im deutschsprachigen Forschungskontext. Das Projekt zielt darauf, mit einem interdisziplinären Ansatz (Architekturtheorie/-geschichte, Literaturwissenschaft, jüdische Geschichte) Architektur und Text als konstituierende „Orte“ jüdischen Selbstverständnisses und damit als „Resonanzräume“ jüdischen Kulturerbes zu erschließen und hierauf basierende theoretische Grundlagen zu entwickeln. Architekturdarstellungen werden hier als aussagekräftig für Konfigurationen von und Verständnisse des jüdischen Kulturerbes begriffen und mit dem gleichen methodischen Ansatz ausgewertet. Der „Text“ wird verstanden als Verhandlung über die Bedeutung von Architektur, die Architektur als Widerspiegelung des in Texten gewonnenen Verständnisses. Daher bildet die Betrachtung des – sich historisch selbstverständlich wandelnden und je nach Perspektive (jüdisch – nicht-jüdisch etc.) unterschiedlich wahrgenommenen – Wechselverhältnisses von Text und Architektur den Kern des Vorhabens, das zur historischen und aktuellen Theoriebildung des Begriffs „Jüdisches Kulturerbe“ beitragen will. Trotz einschlägiger architekturhistorischer Arbeiten zum jüdischen Bauen und literaturwissenschaftlicher Analysen zu jüdischen Texten ist die Bedeutung dieses „Dialogs der Künste“ für die Konstruktion und diskursive Verhandlung des jüdischen Kulturerbes seit der Haskala bis in die 1950er-Jahre noch nicht ausreichend erforscht worden. Dieses Desiderat soll in einem interdisziplinären Tandemprojekt behoben werden.

Im Zentrum steht die Untersuchung von Identitätskonstruktionen in schriftlichen Quellen über jüdische Architektur und Raum als Teil des jüdischen Kulturerbes. Dabei werden verschiedene literarische Textsorten wie Architektenzeitschriften, jüdische Zeitschriften, Synagogen-Einweihungsschriften, Reiseberichte, Postkarten, Erzählungen und Romane in Hinblick auf die in ihnen dargestellten Räume, Architekturen und städtebaulichen Plätze in den Blick genommen. Ein Fokus liegt hierbei auf dem Vergleich von gebauter Realität mit ihrer (fiktionalisierenden) Repräsentation in Publikationen, auf deren Wirkung, Wahrnehmung und bauliche Rezeption. Ein weiteres Augenmerk liegt auf dem Beitrag dieser Texte zur Entwicklung von Konzepten jüdischen Erbes seit 1900. Von Interesse ist dabei die Reflexion über jüdisches Kulturerbe und jüdische Architektur durch die verschiedenen jüdischen und nicht jüdischen kulturellen, religiösen und politischen Interessengruppen. Die unterschiedlichen Darstellungsformen der Gruppen und ihre Kommunikationsstrategien in Hinblick auf die Konstruktion und Verhandlung jüdischer Identitäten führen zu spezifischen Fragestellungen und Arbeitsmethoden, die auch an die unterschiedlichen literarischen Textsorten und ihre je spezifischen ästhetischen Mittel rückgebunden werden.

 

DFG-Schwerpunktprogramm „Jüdisches Kulturerbe“

 

Information zu Workshop / Call for Paper

 

Kooperationsprojekt vom Institut für die Geschichte der deutschen Juden und der Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa (Förderzeitraum: 2022–2025)

Projektleitung IGdJ: PD Dr. Andreas Brämer, Mitarbeiterin Dr. Sonja Dickow-Rotter

Projektleitung Bet Tfila: PD Dr.-Ing. Ulrich Knufinke, Mitarbeiter: Dipl.-Ing. Mirko Przystawik