
Jedes zehnte Holocaust-Opfer stammte aus Ungarn in seinen damaligen Grenzen. 500.000–600.000 Jüdinnen und Juden sowie Roma und Romnja wurden von den Nationalsozialisten und ihren ungarischen Verbündeten ermordet. Die Namen dieser Verfolgten sind bis heute mehrheitlich unbekannt. 80 Jahre nach dem Holocaust in Ungarn hat sich ein transnationales Forschungs- und Erinnerungsprojekt zum Ziel gesetzt, das Schicksal der deportierten Frauen, Männer und Kinder zu erforschen, aufzuarbeiten und vor dem Vergessen zu bewahren.
Das Projekt „Digitale Gedenk- und Forschungsinfrastruktur – Der Holocaust in Ungarn 80 Jahre später“ (HUNGMEM) wurde in Zusammenarbeit mit dem Ungarisch-Jüdischen Museum und Archiv in Budapest, dem Rumänischen Institut für Forschung über nationale Minderheiten und der Jüdischen Gemeinde in Komárno in der Slowakei durchgeführt und von der EU-Kommission im Rahmen des Förderprogramms CERV –Citizens, Equality, Rights and Values unterstützt. Die internationale Zusammenarbeit bot die einmalige Chance, neue Impulse für die Forschung zum Holocaust zu liefern, indem in verschiedenen Archiven verstreute Quellen von Forschenden aus vier Ländern und mit unterschiedlichen Expertisen gemeinsam ausgewertet und Informationen zu Transportwegen und individuellen Biografien zusammengetragen wurden.
Am IGdJ wurden quantitative wie qualitative Forschungen zu den Deportationen aus Ungarn in den norddeutschen Raum durchgeführt. Dabei ging es zunächst um die Erfassung möglichst vieler Namen und Geschichten derjenigen, die in die SS-Konzentrationslager im norddeutschen Raum deportiert wurden. In einem zweiten Schritt wurden Daten und empirische Fallgeschichte im Kontext der Forschung zu Zwangsarbeit und Kriegswirtschaft sowie der Öffentlichkeit der Verfolgung und dem Wissen um die Shoah in der deutschen Bevölkerung analysiert. Die erarbeiteten Fallstudien und Visualisierung aus den recherchierten Daten mit einem regionalen Fokus werden über die zweisprachige Website „Der Holocaust in Ungarn und die Deportationen nach Norddeutschland“ → https://holocaust-ungarn-norddeutschland.de bereitgestellt.
Die Recherchen wurden in enger Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Bergen-Belsen und der KZ-Gedenkstätten Neuengamme von den beiden Projektmitarbeitenden Lara Meinert M.A. und Louis Wörner M.A. durchgeführt. Am Jüdischen Museum und Archiv in Budapest wurde eine Datenbankstruktur entwickelt werden, die Forschenden wie auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich ist. Insbesondere Familien, die bis heute im Unklaren über das Schicksal von deportierten Angehörigen sind, sollen mittels der am Jüdischen Museum und Archiv in Budapest erarbeiteten Webseite Informationen und Recherchemöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden.
Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden von Dr. Kim Wünschmann (Projektleitung) und Dr. Anna Menny (Koordination) mehrere Tagungen und Veranstaltungen durchgeführt. Dabei diskutierten etwa im gemeinsam mit der Körber-Stiftung organisierten Podiumsgespräch „Alles bekannt? Vom Wissen über den Holocaust“ Dr. Mirjam Zadoff, Leiterin des NS-Dokumentationszentrums München, und Rabbiner Dr. Gábor Lengyel über die Bedeutung von Geschichte und Erinnerung für die eigene familiäre, aber auch die gesellschaftliche Vergangenheit. Zur Aufzeichnung der Veranstaltung geht es hier.
In der anlässlich des Internationalen Gedenktages zusammen mit der Wiener Holocaust Library London und dem Stanley Burton Centre for Holocaust and Genocide Studies der Universität Leicester veranstalteten Holocaust Memorial Lecture 2025 berichtete die Journalistin und Schriftstellerin Judit Kárpáti im Gespräch mit Louis Wörner und Professor Tim Cole (Bristol) über die Spurensuche zum Schicksal ihres verschollenen Großvaters und wie das Forschungsprojekt dabei behilflich war. Zur Aufzeichnung geht es hier.
Im NDR Magazin Schabat Schalom sprachen Gabriela Fenyes, Mitglied des Kuratoriums des IGdJ, und Dr. Anna Menny mit Daniela Remus über das Forschungs- und Erinnerungsprojekt zum Holocaust in Ungarn und den Deportationen nach Norddeutschland. Dabei unterstrichen sie die Relevanz der Geschichte für unsere Gegenwart und Zukunft. Die Aufzeichnung der Sendung vom 28. März 2025 hören Sie hier.