Das Forschungsprojekt bricht die häufig eingenommene Perspektive des Woher und Wohin bzw. die Analyse der Push- and Pull-Faktoren auf und stellt die Migrationsprozesse der jüdischen Einwanderung nach Palästina ins Zentrum der Untersuchung. Damit stehen Fragen nach den Akteurinnen und Akteuren sowie den Strukturen, die die Migration bestimmten, im Vordergrund. Darüber hinaus wird durch die Periodisierung von 1920 bis 1938 ein Fokus jenseits der bisherigen Forschungsschwerpunkte gesetzt, die vornehmlich die Jahre 1880–1914 bzw. 1933–1945 berücksichtigten. Die bisher weitgehend ausgeblendete Zwischenkriegszeit ist damit der zeitliche Kern der Studie und macht jüdische Migrationsgeschichte nach Palästina in dieser „Zwischenphase“ sichtbar. Mit der Fokussierung auf das Schiff als translokalen Ort und ganz eigenen, transnationalen Raum werden zudem die nationalen Geschichtsschreibungen hinterfragt und die europäische Dimension in den Blick genommen.
Durch diesen Forschungsansatz rücken die Akteurinnen und Akteure bzw. Gestalterinnen und Gestalter des Raumes „Schiff“ in den Mittelpunkt, d. h., die europäischen Reedereien und die zionistischen Organisationen. Im Einzelnen werden ihre Motive, Strategien und Aktionsspielräume im Kontext der jüdischen Migrationsbewegung nach Palästina herausgearbeitet. Die Entwicklung der europäischen Reedereien, deren ökonomischen und sozio-politischen Interessen in der Palästina-Schifffahrt, aber auch die Konzepte und Bemühungen der zionistischen Organisationen, das Meer und den Raum „Schiff“ zu erobern – ganz im Sinne einer nationalen Regeneration – sowie die realen Erlebnisse der Emigrantinnen und Emigranten und Reisenden an Bord finden Berücksichtigung.
Damit knüpft das Projekt an die bisherige Forschung an, weitet diese unter spezifischen Gesichtspunkten aus und setzt gleichzeitig neue Akzente in der jüdischen Migrationsforschung. Besonders die Fokussierung auf das Schiff soll es erlauben, die transnationalen Charakteristika der jüdischen Migrationsbewegung herauszuarbeiten, personell wie organisatorisch die entscheidenden Akteurinnen und Akteure der Migrationsprozesse zu konturieren und einen zentralen Teil der jüdischen und europäischen Geschichte sichtbar zu machen.
Dr. Björn Siegel
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