In den Debatten um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich einmal mehr gezeigt, dass Osteuropa auf der Landkarte der deutschen Erinnerungskultur ein blinder Fleck ist. Dies überrascht umso mehr, da die Mehrheit der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion und deren Nachfolgestaaten stammen und wiederum 45 Prozent davon ihre Wurzeln in der Ukraine haben. In der Folge dieser Einwanderung hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten ein konflikthafter Wandel im innerjüdischen Gedenken beobachten lassen, in der neben die Erinnerung an den Holocaust das Gedenken an den zweiten Weltkrieg, und damit verbunden, neben das Narrativ der Opfer, dass der Sieger (über Hitler-Deutschland) trat. Deutlich leiser, und im Schatten dieser konflikthaften Gegenüberstellung verborgen, artikuliert sich dagegen die Erfahrungen derjenigen, deren Angehörige auf sowjetischem Boden als Juden zu Opfern des Holocaust und des Vernichtungskriegs wurden und die in der deutsch-jüdischen Erinnerungskultur der Gegenwart noch immer einen marginalen Platz einnehmen. Ziel des geplanten Forschungs- und Vermittlungsprojekts ist es, im Rahmen eines Interviewprojekts mit jüdischen Familien verschiedener Generationen die Pluralisierung der Erinnerungen an den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg um die Perspektive der nach Deutschland eingewanderten ukrainischen Jüdinnen und Juden zu erweitern. Die Ergebnisse der Forschung sollen in einer niedrigschwelligen und multimedialen Präsentation für die breite Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden, und damit einen Beitrag zu einer vielfältigen Perspektive auf die Erinnerungskultur in der hiesigen Migrationsgesellschaft leisten.
Das Ziel dieses soziologischen und zeithistorischen Projektes ist es, in Forschung und Vermittlung einen Beitrag zu einer vielfältigen Perspektive auf die Erinnerungskultur in der hiesigen Migrationsgesellschaft zu leisten, wozu auch die Pluralisierung der jüdischen Erfahrungsgeschichte gehört. Erstens soll die transgenerationalle Erinnerung an den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg in jüdischen Familien erforscht werden, die aus der Ukraine nach Deutschland eingewandert sind, deren andere jüdische Erfahrungsgeschichte bislang aber nur marginal wahrgenommen wird. Zweitens soll eine niedrigschwellige und multimediale Präsentation dazu dienen, die Ergebnisse dieser Forschung für die breite Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Unter dem Dach der bereits gut etablierten und vernetzten „Schlüsseldokumente“-Edition des IGdJ und in Kooperation mit verschiedenen Praxispartnerinnen und Praxispartnern sollen medial vielfältige Einstiegsmöglichkeiten für eine zeitgemäße und auf verschiedene Nutzungs- und Altersgruppen zugeschnittene Darstellungsform sorgen, mit dem Ziel, diese andere Erfahrungsgeschichte und Erinnerungskultur ergänzt um Materialien wie Bilder, Audios oder historische Dokumente zu präsentieren.
Dr. Karen Körber (Projektleitung)
040 42838-2935
karen.koerber[at]igdj-hh.de